Neues Peptid macht Schnittblumen länger haltbar
Ein synthetisches Eiweiß kann die Ethylen-Wirkung blockieren. Chrysal kritisiert die unkorrekte Berichterstattung der Medien.
Von Katrin Klawitter
Düsseldorf/Lemgo. Forscher der Heinrich Heine-Universität (HHU) Düsseldorf konnten ein Eiweiß isolieren, das Schnittblumen länger haltbar macht. Allerdings bezeichnen Frischhaltemittelhersteller die in den Medien verbreiteten Aussagen, herkömmliche Frischhaltemittel seien giftig und das neue Peptid dagegen umweltfreundlich biologisch abbaubar, als unwahr.
Peptid blockiert die Etylen-Rezeptoren
Zum Hintergrund: Von einer neuen Methode, die Haltbarkeit von Schnittblumen zu verbessern, berichtet die HHU Düsseldorf auf ihrer Internetseite. Demnach konnte ein Team um Prof. Dr. Georg Groth vom Institut für Biochemische Pflanzenphysiologie zeigen, dass die Reaktion von Schnittblumen auf das gasförmige Pflanzenhormon Ethylen durch ein synthetisches Peptid maßgeblich beeinflusst werden kann.
Etylen ist bekanntlich das Hormon, das für die Alterungsprozesse einer
Pflanze verantwortlich ist. Schon vor Groth‘s Untersuchungen hatten andere Wissenschaftler herausgefunden, dass jede Pflanzenzelle das Hormon über spezielle Rezeptoren wahrnimmt: Das Signal wird über verschiedene Proteinmoleküle in einer sogenannten Signalkette
bis in den Zellkern weitergeleitet und löst dort den Verwelkungsprozess – die Seneszenz – aus. Von besonderer Bedeutung in der Ethylensignalkette ist der Kontakt der Hormonrezeptoren mit dem Protein EIN2. Ist diese Kette durch Verschließen der Kontaktstellen gestört, wird das Verwelken verzögert.
Diese Erkenntnis nutzte die Düsseldorfer Forschungsgruppe. Sie kopierte
aus dem EIN2-Protein nur eine kurze Sequenz. Diesen Abschnitt stellte sie der Pflanze als synthetisches, sogenanntes NOP-1-Peptid zur Verfügung. Dieses Peptid blockiert die Kontaktfläche des Rezeptors an der Pflanzenmembran für EIN2, was schließlich die Weiterleitung des Ethylensignals unterbricht.
Unbedenklichkeit noch nicht bewiesen
Untersuchungen an verschiedenen Schnittblumensorten wie beispielsweise Rosen und Nelken konnten nun zeigen, dass NOP-1, über das Gießwasser von der Schnittblume aufgenommen, das Verwelken verzögern kann. Ähnliches konnte das Team übrigens auch im Obst- und Gemüsebereich zeigen: NOP-1 konnte auch die Fruchtreifung in
Tomaten und Äpfeln verzögern. Als nächster Schritt ist nun geplant, so
die HHU, Partner in Unternehmen zu finden, um eine mögliche Vermarktung von NOP-1 voranzubringen. Unter anderem möchte man auch gemeinsam die toxische Unbedenklichkeit des Stoffes nachweisen sowie wirtschaftliche Verfahren für die Herstellung von NOP-1 entwickeln.
Aktuelle Frischhaltemittel sind nicht giftig
Die Forschung an diesem Projekt ist Herstellern von Frischhaltemitteln bekannt, wie Stefan Birkel, Produktmanager Chrysal (Braun GmbH, Lemgo), der TASPO gegenüber ausführt. Allerdings seien einige Behauptungen, die in Medien wie „MDR Wissen“ verbreitet wurden, unwahr. Dort nämlich hieß es, „im Gegensatz zu bisherigen Frischhaltemitteln ist das Peptid auch völlig ungiftig und biologisch abbaubar“.
Dem widerspricht Chrysal vehement: Aktuelle Frischhaltemittel seien nicht giftig. Alle in Deutschland gehandelten Chrysal-Frischhaltemittel für Produzenten, Handel und Verbraucher sind laut Birkel beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit BVL gelistet, somit sei eine Unbedenklichkeit für Mensch, Tier und Umwelt nachgewiesen und es bestehe keine Pflicht für eine Gefahren-Kennzeichnung: „Wenn unsere
Produkte giftig wären, müsste man sie entsprechend kennzeichnen.“
Auch die Medienaussagen, NOP-1 sei biologisch abbaubar, sei bisher nicht belegt: Besagte Forschergruppe habe selbst ausgeführt, dass sie überhaupt erst einmal feststellen wolle, ob NOP-1 überhaupt biologisch abbaubar sei.
Protein müsste als Pflanzenschutzmittel gelten
Wenn das Protein wie beschrieben arbeite, das heißt, eine Anti-Ethylen-Wirkung habe, müsse es als Pflanzenschutzmittel registriert werden, da es in die Physiologie von Schnittblumen eingreift, führt Birkel aus. Peptide könnten, auch wenn sie gut biologisch abbaubar sind, für den Menschen oder die Umwelt sehr giftig sein. „Es ist also ohne entsprechende Studien nicht so einfach zu sagen, dass dieses Peptid nicht toxisch ist. Dies muss durch Studien belegt werden, die für die Registrierung von Pflanzenschutzmitteln erforderlich sind“, führt Chrysal aus.
Die Zugabe eines Peptids zu Frischhaltemitteln würde diese Produkte als
Pflanzenschutzmittel einstufen. Alle Gesetze und Verordnungen, die für Pflanzenschutzmittel gelten, wären auf sie anwendbar. „Diese Situation halten wir für äußerst unerwünscht, da diese Produkte dann unter Verschluss und nur mit fachlicher Beratung (Pflanzenschutz Sachkunde)
abgegeben werden dürften.“
Chrsyal habe bereits versucht, mit dem MDR in Kontakt zu treten, um die
fachlich falschen Aussagen zu unterbinden, da sie geschäftsschädigend seien.
Chrysal: „Frischhaltemittel sind wirksamer“
Auch zur Haltbarkeit der Schnittblumen hat der Chrysal-Produktmanager
noch Ergänzungen: Drei bis sechs Tage bei Rosen und Nelken entsprächen einer signifikanten Verlängerung. Allerdings erreiche Chrysal mit seinen
Frischhaltemitteln eine deutlich längere Haltbarkeit. „Wir drücken die Verlängerung allerdings nicht in Tagen aus, da diese bei jeder Art und Sorte unterschiedlich ausfällt. Wir liegen hier in einem Bereich zwischen 60 und 86 Prozent über alle Schnittblumenarten und -sorten“, so Birkel.
Generell begrüße Chrysal die Forschung an haltbarkeitsverlängernden Substanzen, sehe in diesem Fall momentan aber kein Potenzial, dies in der Praxis umzusetzen.
Quelle: Klawitter, Katrin: „Neues Peptid macht Schnittblumen länger haltbar“, in: TASPO, Nr.14, 2019, S.1.